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Weitergehen

Das Lassalle-Haus, der Ort, an dem viele von uns über Jahre engagiert Zen praktiziert haben, hat vor zwei Wochen seine Tore geschlossen. Toni Kurmann hat sich in seinem Impuls „Der Weg beginnt jetzt“ auf die Stele bezogen, die beim Abschied vom Lassalle-Haus die Besucher*innen mit dem Zusatz „Auf Wiedersehen“ adressiert hat.

Wiedersehen ist innig mit Weitergehen verbunden. Offen für Neues, allem gewahr, versuchen wir, nicht anzuhaften und nicht zu begehren. Dieser Herausforderung stellen wir uns täglich. Es geht nicht darum, abgestumpft durchs Leben zu straucheln und das „Weitergehen“ vorzuschieben, um sich nicht auf das Naheliegende einzulassen. Im Gehen selbst manifestiert sich das zeitlose Weiter. Unaufhörlich fliesst alles.

Mit Blick auf den Ort unserer Zen-Praxis ändert sich vielleicht gar nicht so viel. Die meiste Zeit verbringen wir auf unserer Matte zu Hause. Für die intensiveren Zazenkai und Sesshin haben wir Sensei der Zen-Linie alternative Orte gefunden und freuen uns, mit euch an diesen Orten gemeinsam zu praktizieren.

Ganz dem „Weitergehen“ hingegeben, haben wir als Gemeinschaft der Zen-Lehrenden beschlossen, den ZenPuls neu als E-Mail zu verteilen. In diesem Fortschreiten freue ich mich dankbar über das „Wiedersehen“ der vergangenen Ausgaben, die Dieter Wartenweiler Rōshi seit vielen Jahren als Druckvariante produziert hat.

Zen-Praktizierende sprechen oft davon, auf dem Weg zu sein, dem DO. Ab und an kommt die Frage nach der Besonderheit dieses Wegs auf. Jôshûs Frage an Nansen: „Was ist der WEG?“ zielt auf die Essenz unseres Seins. Im WEG-Beschreiten mag uns aufgehen, dass wir uns nicht hinwenden können, ohne uns zugleich abzuwenden. NICHTS kann nicht gewusst werden – Nicht-Wissen ist ohne Bewusstsein –, so lehrt uns Nansen. Andernorts lesen wir den Vers:

Viele, die den WEG erlernen, erfahren die Wahrheit nicht.
Der Grund ist einfach: nur mit dem unterscheidenden Bewusstsein, 
das sie schon immer hatten, nehmen sie wahr.
Das ist der Ursprung des endlosen Kreislaufs von Leben und Tod.
Dummköpfe halten das für das wahre Selbst.

Egal, wo wir derzeit stehen – es gibt kein abschliessendes „Jetzt hab ich’s“. Was uns bleibt, ist das Weitergehen in einem Raum, der so grenzenlos und frei ist wie der Weltraum. Eingebettet in diese unfassbare WEITE, nennen wir sie LEERE. Jeder Schritt ein einzigartiges Wiedersehen mit dem So-Sein.

Je neu lassen wir uns auf dem Weg durch Raum und Zeit auf das ein, was sich manifestiert. Ob Schliessung, Geburt, Pensionierung, Sommerfeste oder Trauerfeiern – wir sind eingeladen, den Alltag zu begehen. Mal gelingt uns dies mit einem lachenden, mal mit einem tränenden Auge. Dieses unaufhörliche Weitergehen teile ich gerne mit WEG-Gefährt*innen, die Freud und Leid und das stille Staunen angemessen verkosten.

In diesem Sinne wünsche ich uns allen gute Praxis und ein Weitergehen, das in der WEITE zu Hause ist. Und vielleicht sehen wir uns bald wieder – ganz neu. Im Rebberg Zendo in Wettingen oder an einem der vielen Orte, wo wir Zazen praktizieren.

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